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Topic       : Das ATOS-Magazin 5/00
Author      : Das ATOS-Team
Version     : 31.12.2000
Subject     : ATOS Diskettenmagazine
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Compiled on : Atari
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View Ref-File      ATOS Reportagen

Das bittere Ende                                 Das ATOS-Magazin 5/00

                       Milan II auf Eis gelegt

Von Thomas Burow

Bei vielen Atari-Anwendern wird die Botschaft noch gar nicht 
angekommen sein: Der Milan II wird auf Eis gelegt!

Was zunächst recht nüchtern wirkt, wird sich entscheidend auf den 
Atarimarkt auswirken und zu einem brisanten Thema werden.

Am 10.10.2000 veröffentlichte Ali Goukassian auf der Homepage der 
Milan Computersystems <http://www.milan-computer.de/> ein Statement 
<http://www.milan-computer.de/de/news/news102000a.php3>, in dem er 
erklärt, dass die Entwicklung des Milan II aus diversen Gründen 
eingestellt wird.

Warum?

Als Gründe werden diverse Probleme mit dem Zusammenstellen der 
Hardware genannt, z.B. technische Probleme, Rückzug eines Herstellers 
für einen zentralen Chip des Milan, etc.

Sicherlich werden viele Atari-User jetzt sehr enttäuscht sein, aber 
bleiben wir doch auf dem Boden der Tatsachen. Hatte der Milan II in 
der geplanten Form überhaupt eine Chance, sich im Markt zu behaupten? 
Die ehrliche Antwort muß eindeutig Nein heißen.

Mit Sicherheit wird diese Behauptung Grund für Diskussionen bieten, 
aber der Milan II wäre mit einem zu alten Prozessor viel zu spät an 
die End-User gelangt.

Wer sollte den Milan II kaufen?

Klar hätten viele alteingesessene Atarianer den Milan gekauft und 
wären mit der Geschwindigkeitssteigerung sehr zufrieden gewesen. Die 
bisher benutzte Software wäre auf dem Milan II zu neuen Höhenflügen 
fähig gewesen.

Außerhalb des harten Atari-Kerns wäre es sehr schwierig geworden. Denn 
wie will man einem Otto-Normalverbraucher klar machen, dass ein 80- 
MHz-Rechner ihm das gleiche bieten soll, was die 1000-MHz-Gurke vom 
"Um die Ecke PC-Discounter" kann?

Aber das tolle Design?

Design ist Geschmackssache und leider nicht ausreichend für einen 
Erfolg, denn in erster Linie kaufen die Kunden Geräte, die ihren 
Anforderungen genügen und schauen erst in zweiter Linie auf das 
Design.

Da ist doch noch die einfache Bedienung?

Wirklich, oder ist es vielmehr die gewohnte Bedienung? Denn die 
Zeiten, als ein ST in wenigen Sekunden mit dem Startvorgang fertig war 
und das komplette Betriebssystem unveränderbar im ROM saß, sind doch 
auch beim Atari schon einige Zeit vorbei. Auch wenn Atari- 
Betriebssysteme noch sehr klein sind (betrachtet man die Komplexheit, 
mit dem sie sich dem Anwender darstellen) kann ein Neueinsteiger 
schnell unsicher werden. Wozu Auto-Ordner, Start-Ordner, Accessories 
usw.? Auch das Installieren von Programmen kann schnell 
unübersichtlich werden, wenn man sich mit dem System nicht auskennt.

Richtig ist zwar, dass in der Regel ein Programm einfach nur mit allen 
seinen Dateien in einen Ordner kopiert werden muß, aber schon beim 
Hilfesystem wird es beim Martin Neuuser schwieriger: Da müssen die 
Hilfedateien in den richtigen Ordner kopiert und der Katalog erneuert 
werden. Benötigt das Softwarepaket dann noch Autoordnerunterstützung 
oder ein Accessory, wird das Ganze schnell komplizierter. Und 
schließlich muß man auch noch einen Programmstarter konfigurieren. Wer 
will sich schon immer durch die ganzen Verzeichnisse hangeln. Unter 
Windows macht das alles ein Installer. Und ob dabei die Platte 
zugemüllt wird, ist unserem Martin Neuuser doch eigentlich ganz egal.

Für den Atari gibt es zwar nun seit einiger Zeit GEM Setup zum 
Installieren von Programmen, aber leider wird dieses tolle Programm 
viel zu wenig eingesetzt.

Gute Entscheidung

Alles in allem muß man froh über die jetzige Entscheidung der Milan 
Computersystems sein, denn ein Versagen des Milan II im Markt hätte 
dem Atarisystem einen harten Schlag zugesetzt. Es hätte viele 
bekräftigt, die meinen, mit einem Atari kann man gar nicht arbeiten 
und das sei alles Spielkram.

Ein schlechtes Image ist leider schnell geschaffen und läßt sich nicht 
so schnell wieder gut machen.

Besser ist es, ein sinnloses Projekt zu stoppen, um wirklich guten 
Ideen freien Raum zu geben.

Aber wie soll es weiter gehen?

Im Statement <http://www.milan-computer.de/de/news/news102000a.php3> 
berichtet Ali Goukassian auch über die weitere Entwicklung. Er 
beschreibt Möglichkeiten, das Ataribetriebssystem auf gängiger 
Hardware zum Laufen zu bringen und das ohne Emulation. Dem kommt 
zugute, dass das derzeitige Milan OS aus einer hardwareabhängigen- und 
einer hardwareunabhängigen Schicht besteht. Der hardwareabhängige Teil 
soll durch einen Linux-Kern ersetzt werden und damit die Möglichkeit 
bieten, auf aktuellen Rechnern zu laufen. Der Linux-Kern dient dabei 
nur der Interpretation von Hardwarezugriffen, die vom Betriebssystem 
oder der Software vorgenommen werden.

Linux hat sich in der Computerbranche etablieren können und wird durch 
tausende Programmierer weltweit weiterentwickelt. Außerdem sind 
Treiber für neue Hardware immer schnell verfügbar und so dürfte die 
Ansteuerung diverser Schnittstellen wie USB oder FireWire und der 
Betrieb etlicher anderer Hardware wie Festplatten oder Netzwerkkarten 
kein Problem mehr darstellen. Die aufwendige Neuentwicklung von 
Treibern entfällt damit.

Der hardwareunabhängige Teil des Betriebssystems wird mit dem Linux- 
Kern verankert, sodaß Anforderungen der Software an eine Schnittstelle 
über einen genormten Interpreter an den Linux-Kern übergeben werden, 
der sie über die vorhandenen Treiber ausführen kann.

Geht man davon aus, dass dieses Konzept so funktioniert, wäre das eine 
ideale Lösung. So kann man sich seitens der Milan Computersystems voll 
auf den Softwareteil konzentrieren und trotzdem moderne Hardware 
nutzen. Die Zeiten, in denen neue Rechner in abgelegenen Garagen 
zusammengebastelt werden, sind nun mal vorbei und die Entwicklung geht 
einfach zu schnell voran, dass eine kleine Firma dem Stand halten 
könnte, zumal man bei der Milan Computersystems an einem Punkt 
angefangen hat, der schon damals nicht dem zeitlichen Stand der 
Technik entsprach.

Und die Auswirkungen auf den Markt?

Wie sich der jetzige Atarimarkt nun entwickeln wird, bleibt 
abzuwarten. Anzunehmen ist, dass einige User jetzt die Atari-Flinte 
ins Korn werfen und endgültig zu anderen Systemen wechseln. Auch 
einige Programmierer werden über die Weiterentwicklung ihrer Produkte 
nachdenken.

Feststellen muß man aber, dass die derzeitige Perspektive wesentlich 
besser ist als die Perspektive die sich noch vor kurzem bot. Deshalb 
hoffen wir, dass es keine Panik-Reaktionen seitens Atarianwendern und 
Programmierern geben wird!

Fazit

Der Schritt der Milan Computersystems war aus unserer Sicht richtig, 
denn der Milan II hatte so im Markt keine Chance.

Die erregten Atari-Gemüter werden sich wieder beruhigen. Auch wenn es 
verständlich ist, dass sich der ein oder andere Anwender jetzt kräftig 
ärgert, sollte man diesem Entschluß Verständnis entgegenbringen.

Die neuen Pläne der Kieler Firma, auf einen Linux-Kern zu setzen und 
damit weitgehend hardwareunabhängig zu werden, hören sich sehr gut an 
und bieten den Atarianern die Möglichkeit, ihre geliebte Software auf 
wirklich zeitgemäßer Hardware zu nutzen.

Bleibt nur abzuwarten, ob die Milan Computersystems in der Lage ist 
die Theorie gut in die Praxis umzusetzen.

Wir wünschen dabei auf jeden Fall viel Erfolg.

Thomas Burow





Milan II wurde auf Eis gelegt I